Depressionen und Angstzustände bei Krebs

 

Krebs kann tiefgreifende Auswirkungen auf Sie, Ihre Angehörigen und Ihr Pflegeteam haben. Möglicherweise empfinden Sie Trauer, Angst oder Wut – vielleicht sogar alles auf einmal. Diese Gefühle können überwältigend sein, und es ist verständlich, wenn Sie nicht wissen, wie Sie damit umgehen sollen.

Manchmal muss man es einfach aushalten. Es ist real. Die Schmerzen sind real. Die Herausforderungen sind real. Die Angst ist real.

Es kann beängstigend sein, dunkle Gedanken zuzugeben. Vielleicht schämen Sie sich dafür oder möchten Ihre Lieben vor diesen schmerzhaften Gefühlen schützen. Judi, eine leidenschaftliche "Poetry-Slammerin", Lehrerin und Grossmutter mit Schilddrüsenkrebs im Stadium IV, stellte fest, dass der erste Schritt zur Bewältigung ihrer Gefühle von Trauer, Besorgnis und Wut darin bestand, diese Gefühle zuzulassen. «Manchmal muss man es einfach aushalten», sagt sie. «Es ist real. Die Schmerzen sind real. Die Herausforderungen sind real. Die Angst ist real.» Diese Gefühle werden auch nicht dadurch verschwinden, dass man sie ignoriert, unterdrückt oder leugnet. Sie werden vielleicht sogar feststellen, dass sie einen umso grösseren Platz in Ihrem Kopf einnehmen je mehr Sie versuchen, nicht daran zu denken.

Judi backstage

Judi hinter der Bühne, vor einem ihrer Auftritte

Angststörungen und depressive Störungen sind bei Krebspatienten häufig

Es ist vollkommen verständlich, dass Sie Traurigkeit, Angst oder Unsicherheit empfinden, wenn bei Ihnen Krebs diagnostiziert wird. Wenn diese Gefühle jedoch konstant vorhanden sind, lange Zeit anhalten oder Sie daran hindern, Ihrem normalen Alltag nachzugehen, können sie Anzeichen einer klinischen Depression oder Angst sein. Wenn Sie nach der Diagnose Krebs an Depressionen oder Angstzuständen leiden, sind Sie nicht allein. Es kann hilfreich sein zu wissen, dass Angst und Depression bei Menschen, die mit Krebs leben, häufig vorkommen. Es gibt viele Gründe, warum Menschen mit Krebs für Depressionen und Angstzustände anfällig sind:

  • Ihr Körper kann sich durch die Krebserkrankung und die Behandlung verändern. Einige dieser Veränderungen können Ihr Körperbild beeinträchtigen, was wiederum negative Auswirkungen auf Ihr Selbstwertgefühl haben kann.

  • Wenn Sie nicht mehr so viel Energie für Ihre Freunde, Familie, Arbeit oder Ihr soziales Umfeld wie vor Ihrer Diagnose haben, fühlen Sie sich möglicherweise frustriert und empfinden vielleicht auch ein Gefühl des Verlustes.

  • Körperliche Symptome wie Schmerzen, Übelkeit, extreme Müdigkeit oder Erschöpfung können ebenfalls zu Depressionen und Angstzuständen beitragen.

  • Ängste und Unsicherheiten darüber, was nach der Diagnose auf Sie zukommt, können ebenfalls eine grosse Rolle spielen. 

Anzeichen, auf die Sie achten sollten

Depressionen und Angstzustände können Herausforderungen sein, denen Sie bereits vor Ihrer Krebsdiagnose begegnet sind. Es ist jedoch auch möglich, dass diese Gefühle für Sie völlig neu sind. In jedem Fall kann es sowohl für Sie als auch für Ihr Pflegeteam hilfreich sein zu wissen, auf welche Anzeichen oder Symptome Sie achten müssen.

Anzeichen einer Depression

  • Ständige Gefühle von Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit oder Leere
  • Verlust des Interesses an den meisten Aktivitäten fast jeden Tag
  • Starker Gewichtsverlust oder starke Gewichtszunahme
  • Tägliches Gefühl der Langsamkeit oder Ruhelosigkeit
  • Extreme Müdigkeit, Erschöpfung oder Energiemangel
  • Verstärktes oder verringertes Schlafbedürfnis
  • Schwierigkeiten, konzentriert zu bleiben, sich zu erinnern oder Entscheidungen zu treffen
  • Gefühle von Schuld, Wertlosigkeit oder Hilflosigkeit
  • Selbstmordgedanken

Denken Sie daran, dass Krebs und manche Krebsbehandlungen einige dieser Symptome verursachen können. Wenn Sie jedoch fünf oder mehr dieser Symptome fast jeden Tag über einen Zeitraum von zwei Wochen oder länger haben, oder wenn die Symptome so stark sind, dass sie Ihren Alltag beeinträchtigen, können dies Anzeichen einer klinischen Depression sein. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, wenn bei Ihnen eines dieser Symptome auftritt.

Anzeichen einer Angststörung

  • Ständige Sorgen oder das Gefühl, die Dinge nicht unter Kontrolle zu haben
  • Schwierigkeiten bei der Problembewältigung
  • Konzentrationsprobleme
  • Muskelverspannungen
  • Zittern oder Beben des Körpers
  • Ruhelosigkeit oder Nervosität
  • Trockener Mund
  • Gereiztheit oder Wutanfälle

Wenn Sie diese Symptome und Gefühle fast täglich erleben und Sie im Alltag beeinträchtigen, leiden Sie eventuell an einer Angststörung. Sprechen Sie unbedingt mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über diese Symptome.

Panikattacken

Panikattacken können ein weiteres Symptom einer Angststörung sein. Bei einer Panikattacke werden Sie von extremer Angst gepackt. Oft tritt eine Panikattacke ganz plötzlich auf, hält mehrere Minuten an und ist nach etwa 10 Minuten am stärksten.

Symptome einer Panikattacke

  • Schwierigkeiten zu atmen oder das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen*
  • Herzrasen*
  • Benommenheit, Ohnmacht oder Schwindelgefühl*
  • Brustkorbschmerzen*
  • Erstickungsgefühl*
  • Zittern oder Beben des Körpers
  • Schwitzen
  • Gefühl, die Kontrolle zu verlieren
  • Fluchtgefühl
  • Taubheitsgefühl oder Kribbeln
  • Gefühl der Unwirklichkeit oder „Loslösung“ von sich selbst
  • Schüttelfrost oder Hitzewallungen

*Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person eines dieser ersten fünf Symptome aufweisen, könnte dies ein Anzeichen für einen dringlichen oder lebensbedrohlichen Zustand sein, wie zum Beispiel Schock, Herzinfarkt, Bluthochdruck, ein chemisches Ungleichgewicht, ein kollabierter Lungenflügel, eine allergische Reaktion oder etwas anderes. Gehen Sie nicht davon aus, dass diese Symptome mit einer Angststörung zusammenhängen. Rufen Sie sofort den Notruf (144) oder einen Arzt an.

Finden Sie Wege, über Ihre Depression oder Angst zu sprechen

Wie bei jedem ernsten Gesundheitszustand ist es das Wichtigste, sich Hilfe bei Ihrem Gesundheitsteam zu suchen. Denken Sie daran, dass sich viele Menschen mit einer Krebserkrankung überfordert fühlen und mit Ängsten, Depression oder Sorgen umgehen müssen. Es gibt keinen Grund, diese Gefühle allein bewältigen zu müssen.

Ich habe eine Chemotherapie und Bestrahlungen hinter mir. Ich hatte ausserdem Depressionen, um die ich mich zusätzlich zu meiner Krebsbehandlung kümmern musste.

Für Lynn war die Nachricht, dass sie an Brustkrebs im Stadium III erkrankt war, verheerend. Bereits drei Jahre zuvor hatte sie das Gefühl, dass etwas mit ihrer Gesundheit nicht stimmte. Sie und ihre Ärzte versuchten herauszufinden, was los war, und es brauchte zwei Biopsien, um die Diagnose zu stellen. Danach fragte Lynn sich immer wieder: «Warum habe ich nicht früher etwas gesagt?» Es fiel ihr schwer, nicht an all die scheinbar vergeudeten Jahre zu denken – Jahre, in denen ihr Krebs hätte bereits behandelt werden können. «Ich habe eine Chemotherapie und Bestrahlung hinter mir», sagt sie. «Ich war ausserdem depressiv, und diese Depressionen mussten zusätzlich zu meinem Krebs behandelt werden.»

Lynn camping trip

Lynn auf dem Pferd, auf einem Camping-Trip

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, wenn bei Ihnen eines der üblichen Symptome einer Depression oder Angststörung auftritt. Es kann hilfreich sein, zuerst mit engen Freunden, der Familie oder Ihrem Pflegeteam zu sprechen.

Nehmen Sie auch Ihre geistige Gesundheit ernst

Die zu bewältigenden Aufgaben für Sie und Ihr medizinisches Team, von der Prüfung verschiedener Behandlungsmöglichkeiten über die Besprechung von Testergebnissen bis hin zum Umgang mit Nebenwirkungen, können bereits sehr umfangreich sein. Es kann schwierig sein, neben der Krebsbehandlung auch noch die Zeit zu finden, um über Ihren seelischen Zustand zu sprechen. Ihr medizinisches Team kann Ihnen jedoch nur dann helfen, Ihre Depressionen oder Angstzustände zu bewältigen, wenn Sie offen darüber sprechen, was in Ihnen vorgeht. Denken Sie daran: Auch Ihr seelisches Wohlbefinden ist wichtig.

 

PP-UNP-CHE-1134 Oct 2024