(Dies ist eine wörtliche Transkription der Videoaufnahme)
Für mich war dann zu hören, dass ich Metastasen habe. Da war bei mir der Vorhang zu und ich habe gedacht, nächstes Jahr bin ich nicht mehr da. Da hatte ich nur noch ein Jahr zu leben in meinem Kopf. Erst nach und nach, wo ich mich informiert habe, wo ich auch viele Leute kennengelernt habe oder Erfahrungsberichte gelesen habe von Frauen und Menschen, die schon seit Jahren auch mit metastasiertem Brustkrebs leben, damit konnte ich dann so langsam wieder ein bisschen Hoffnung schöpfen.
Ich bin Celine, ich bin 37 Jahre alt. Ich wohne in der Gegend von Biel, habe zwei kleine Kinder, zweieinhalb und fünf gerade, zwei Mädels und noch einen Bonussohn, der zwölf Jahre alt ist. Und ich bin eigentlich Hausärztin und Fotografin. Meine Diagnose habe ich seit Dezember 2022.
Am Anfang dachte ich noch, okay ja, Brustkrebs, das kriegen wir gut behandelt, das kennen die Ärzt*innen gut, da gibt es gute Therapien. Dann kam der Bescheid mit den Metastasen und da ist dann schon eine Welt in sich zusammengebrochen. Die grösste Herausforderung mit der Diagnose? Also es sind ganz viele, aber das Allergrösste ist sicher das Thema Kinder. Also, dass ich nicht mehr lange mit meinen Kindern sein werde, dass ich sie nicht beim Aufwachsen begleiten kann. Das ist sehr, sehr schwer gewesen, sich damit auseinanderzusetzen.
Aber auch am Anfang war es viel, also vor allem im ersten Jahr, schöne Momente trotzdem leben zu können und geniessen zu können. Ich konnte sie zwar geniessen, aber vor allem die ersten Monate, da kamen ganz oft die Tränen. Einfach, weil ich dann gerade gedacht habe, ja wie oft kann ich das denn noch machen? Es ist superschön und ich geniesse das, aber wie oft habe ich noch Weihnachten mit ihnen? Wie oft habe ich noch Geburtstage? Das war sehr präsent.
Wie ich damit umgegangen bin? Ich habe am Anfang natürlich sehr, sehr viel geweint und habe das aber auch zugelassen, also habe diese Trauer auch zugelassen. Ich habe das auch immer wieder so erklärt, das hat sich angefühlt wie unterzutauchen oder unter Wasser gedrückt zu werden. Und dann mit den Tools, die man so hat, wieder aufzutauchen und dann versuchen so lange, wie es geht, ruhig am Wasser zu liegen und das Wasser zu geniessen und die Sonne zu geniessen. Und manchmal kommt natürlich wieder eine starke Welle, die dich umhaut und dann bist du wieder unter Wasser.
Vielleicht auch diese Wellen und diese Phasen zu akzeptieren: es geht mir ein paar Tage schlecht, vielleicht ein paar Wochen, aber es kommen auch wieder Phasen, wo es mir dann wieder besser geht, wo diese Trauer, diese Schwere auch wieder einfacher wird. Mir war der Austausch auch immer sehr wichtig mit anderen Betroffenen. Also von Anfang an habe ich sehr stark nach Frauen gesucht, die was Ähnliches durchmachen wie ich.
Ich bin jetzt gerade auch seit ein paar Wochen Vorstand vom Verein «Metastasierter Brustkrebs Schweiz». Da bin ich auch sehr, sehr dankbar dafür, dass man uns oder dass unsere Erkrankung auch so ein bisschen aus dem Schatten rückt, dass wir uns ein bisschen sichtbar machen, dass wir zeigen, dass Brustkrebs oder Krebs generell mit Metastasen auch lebenswert ist und auch genauso schön weitergehen kann. Natürlich mit ein bisschen mehr Herausforderungen, aber dass wir genauso unsere schönen Momente und schönen Erlebnisse haben.
Für mich generell, wenn ich im Kontakt bin mit anderen Frauen, die was Ähnliches erleben wie ich, ist das für mich das Gefühl von Verbundenheit und von Gesehenwerden. Ich fühle mich verstanden. Natürlich ist da am Anfang mit so einer Diagnose erst mal ein riesiger Kontrollverlust, eine riesige Ohnmacht, und ich glaube, jede Person versucht halt auf ihre Art wieder Kontrolle zu erlangen und für mich ist das schon auch mit der Fotografie eine Art, Kontrolle wieder zu erlangen.
Ich denke jetzt spontan auch an meine Selbstporträts. In der Chemotherapie hat sich dann eben auch der Körper sehr verändert. Diese ganzen körperlichen Veränderungen haben sich auch wie ein grosser Kontrollverlust angefühlt. Mein Körper gehört mir überhaupt nicht mehr und dann habe ich natürlich meine Haare verloren. Das war für mich extrem schwer. Das ist auch so der Moment gewesen, wo man mir dann auf einmal angesehen hat, dass ich krank bin. Und dann auch noch mit der Brustoperation. Das war dann auch wieder ein ganz, ganz starker Einschnitt in mein Leben und in mein Körpergefühl.
Die kreative Auseinandersetzung auch mit der Fotografie, aber auch vor allem Selbstporträts, die hat mich da schon auch sehr unterstützt bei der ganzen Sache. Also ich hatte vorher schon immer wieder mal Selbstporträts gemacht und habe das dann auch jetzt regelmässiger gemacht. Ich muss mich auch immer wieder überwinden, weil es natürlich vor allem in Phasen, wo es schwierig ist, wo ich mich nicht gut fühle, schon eine Überwindung ist, ein Stativ aufzustellen und Fotos zu machen von mir. Aber es hilft mir sehr. Zum einen im Nachhinein dann Sachen oder Phasen nochmal besser reflektieren zu können und mich aber auch aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, um mich auch vielleicht wieder schön zu finden.
Je nach dem, manchmal spiele ich (beim Fotografieren) zum Beispiel mit Blumen oder so. Und es hilft mir dann auch, mich wieder anders zu sehen und nicht nur diesen Krebskörper, diese Glatze und diese Operationsarben. Und es ist natürlich auch so, wenn ich fotografieren kann, wenn ich was Schönes schaffen kann, ist das auch wieder eine Art von Kontrolle wiedererlangen. Das ist für mich auch so eine Achtsamkeitsübung. Das ist etwas ganz Intuitives, oder ich versuche das intuitiv zu machen, dass ich mich wirklich davon lenken lasse, was zieht mich gerade an.
Also das ergibt sich dann beim Fotografieren auch, diese Liebe für diese kleinen Schönheiten. Zum Beispiel es ein grauer Tag, es regnet, es ist vielleicht kalt und ich spaziere und es gibt trotzdem ganz viele Schönheiten zu sehen. Eine kleine Blume oder ein schöner Stein, ein schöner Pilz. Ich geniesse das auch sehr, diese Momente einfach im Sein und das klingt alles so ein bisschen, also das hat man ja schon tausendmal gehört, aber wenn man das dann wirklich mal so lebt, dann haben die Kleinigkeiten auch auf einmal viel mehr Wert.
Das Ganze mit das Schöne um mich herum zu sehen, die schönen Momente einfach nochmal bewusst zu leben. Gleichzeitig macht das auch so einen Druck. Wenn man das Gefühl hat, ich muss jetzt mein Leben total bewusst jetzt leben, ich muss jeden Moment bewusst leben. Aber ich empfinde das oder ich lebe das jetzt eher so, dass ich im Alltag - heute Morgen habe ich meine Kleine in die Kita gebracht und habe das einfach genossen mit ihr diese zehn Minuten zu laufen und sie zu begleiten und dass sie dann über Steine springt und in Pfützen reinspringt und diese kleinen Momente einfach zu sehen und zu geniessen.
Die Erkrankung hat auf der einen Seite meine eigene Perspektive sehr stark eingeschränkt und auf der anderen Seite meine Perspektive für anderes auch viel geöffnet.