(Dies ist eine wörtliche Transkription der Videoaufnahme)
Was ich all den Menschen sagen möchte, die jetzt ihre Diagnose erhalten, ist, dass man nie allein ist. Auch wenn es sich am Anfang so anfühlt, es gibt so viele von uns, die diese Krankheit haben. Und dann kann man sich gegenseitig unterstützen und so durchkommen, weil es immer jemanden ganz in der Nähe gibt, der vielleicht schon einen längeren Weg hinter sich hat, der beraten kann, der beruhigen kann.
Ich bin Julia aus Freiburg. Ich bin gerade 52 Jahre alt geworden diesen Herbst und habe seit zwei Jahren metastasierenden Krebs. Es war im Sommer 2022. Ich erinnere mich daran, diese Bilder mit meinem Onkologen vor seinem Bildschirm anzuschauen und dieser PET-Scan leuchtete wie ein Weihnachtsbaum. Das heisst, ich hatte Metastasen überall. Zwei Tage später bekam ich meine erste Chemotherapie. Wir haben also sofort mit dieser Behandlung begonnen.
Nach diesen Chemozyklen wurden erneut Bilder gemacht und die Ergebnisse waren wirklich hervorragend. Das heisst, die Chemo hatte ihre volle Wirkung entfaltet. Mein Primärtumor ist stark geschrumpft und alle Metastasen sind ebenfalls geschrumpft. Sie sind immer noch da, aber sie sind alle kleiner geworden. Ich bin in Therapie, ich bin in Dauertherapie. Ich gelte als unheilbar, also ich bin im Stadium 4. Aber die Medikamente, die ich heute bekomme, gab es vor zehn Jahren noch nicht und heute werden Medikamente entwickelt, die es selbst Patienten im Stadium 4 ermöglichen, länger zu leben, viel länger.
Ich habe sofort kommuniziert, dass ich Krebs habe. Die Reaktionen waren sehr, sehr unterschiedlich. Meine Familie, meine Eltern und mein Bruder haben den Kontakt drastisch reduziert. Sie können mit der Diagnose nicht umgehen. Die Tatsache, dass ihre Tochter wahrscheinlich vor ihnen gehen wird, können sie nicht akzeptieren. Sie leugnen diese Krankheit völlig.
Ich habe z. B. von meinem Arbeitgeber und meinen Arbeitskolleg*innen gute Reaktionen erhalten. Mit meiner Chemotherapie war ich sechs Monate lang nicht bei der Arbeit, also habe ich sechs Monate lang überhaupt nicht gearbeitet, aber konnte immer per Videokonferenz an den Sitzungen teilnehmen. Also behielt ich immer ein wenig Kontakt mit meinen Arbeitskolleg*innen. Ich habe auch das Privileg einen Arbeitgeber zu haben, der sehr solide, sehr grosszügig ist. Mein Arbeitgeber hat sich wirklich um mich gekümmert und sie haben mich behalten. Ich arbeite heute wieder zu 30 % und ich konnte meine Stelle behalten, innerhalb desselben Teams, im selben Büro wie zuvor.
Es gibt Leute, die sich distanziert haben und andere, die sich als enger erwiesen haben, als ich dachte. Und dann sind es oft nicht die Menschen, die wir denken. Also ich habe Freunde verloren, aber auch neue gewonnen.
Als ich die Diagnose erhielt, dachte ich: «Warum ich?» Ich habe doch alles getan, um gesund zu sein, um gesund zu bleiben. Ich habe, in Anführungszeichen, «gut gelebt». Warum fällt diese Art von Krankheit ausgerechnet auf mich? Und es gibt kein «Warum». Es kann jeden treffen, egal wie alt man ist, egal welchen Hintergrund man hat. Krebs kann wirklich jeden treffen.
Ich habe oft Leute, die mir sagen: „Ah, ich bewundere deine Stärke, deine Widerstandsfähigkeit. Ich selbst könnte das nicht tun“. Natürlich. Jeder kann. Wir haben keine Wahl. Wenn ich ein bisschen leben will, gebe ich jeden Tag mein Bestes. Für mich war immer klar, dass ich um mein Leben kämpfen will. Aber gleichzeitig mag ich diesen Begriff Kampf nicht so sehr, denn wenn es ein Kampf ist, gibt es immer Widerstand. Und dann muss ich wirklich viel Kraft aufwenden, um diese Krankheit zu bekämpfen. Heute würde ich eher sagen, dass ich mit dem Krebs lebe. Der Krebs ist jetzt ein Teil meines Lebens, für den Rest meines Lebens. Und dann arrangiere ich mich damit.
Die Krankheit, sie ist da. Ich kann ihr nicht entfliehen. Und es hat keinen Sinn, all den Dingen nachzutrauern, die ich nicht mehr tun kann. Die Vergangenheit, sie ist vorbei. Ich kann nichts daran ändern. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Aber was ich tun kann, ist zu versuchen, etwas anderes zu finden, das ich tun kann. Ich kann nicht mehr rennen. Gut. Ich kann keine Hochgebirgstouren mehr machen. Aber ich kann laufen. Ich mache ein bisschen Yoga und Meditation.
Und das ist natürlich nicht jeden Tag breites Grinsen. Ich habe Phasen, in denen es mir nicht gut geht. Aber ich habe das Leben, das ich habe, immer sehr genossen. Und ich habe Lust, noch ein bisschen weiterzumachen. Ich finde, es gibt noch viel, das ich erleben möchte. Und dann werde ich versuchen, so lange wie möglich durchzuhalten. Voilà.